die Lokomotive am Bahnhof Oberviechtach

 

Manchmal hat unser Chef verrückte Ideen. In seiner Kindheit war er fast täglich bei Großonkel und Tante, neben dem Bahnhof zu Besuch und erlebte den damals noch regen Bahnverkehr. So wurde vermutlich der Grundstein seiner Liebe zu Dampfloks gelegt.

Als die Bahnstrecke stillgelegt war und die Fa. Rossmann KG den alten Bahnhof kaufen konnte, war Siegfried Rossmann der Meinung zu einem Bahnhof gehört eine Lokomotive.

Nach etlichen Jahren des Suchens wurde ein kleines Bockerl gefunden, das hervorragend den Beginn der Eisenbahnzeit bei uns darstellt.

Gekauft und aufwändigst aufgearbeitet wurde eine Hanomag von 1899. Und damit sie ihren verdienten Ruhestand, nach über 110 Jahren der freien Witterung ausgesetzt, im Trockenen genießen kann, wurde gleich ein Lokschuppen drum rum gebaut. Gläsern natürlich. Und technisch anmutend. Schließlich soll man das Schmuckstück immer sehen können – und das in einem würdigen Rahmen.

Wenn Sie in Oberviechtach sind schaun’s einfach am Bahnhof vorbei. Bei gutem Wetter ist immer aufgesperrt und man darf die erstaunliche Technik des 19. Jahrhunderts aus nächster Nähe bewundern.

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Die Dampflok Hanomag 3427 aus 1899

Hanomag Werksfofo

Dieser Lokomotiventyp wurde viel für den Werksverkehr aber dann auch von der Deutschen Reichsbahn (z.B. als DR-Nr. 98 6003) eingesetzt.

Die dem Hanomag-Eigner Egestorff gehörenden Bergwerke und Salinen bei Hannover hatten zumindest drei davon.

Die Lok entspricht in Antrieb (B-Kuppler, d.h. zwei Achsen), Größe und Leistung vermutlich den ersten „Bockerln“, die auf der Nebenbahnstrecke nach Schönsee fuhren.

Es ist die einzige erhaltene Lok dieses Typs von Hanomag.

Im königlichen Bayern fuhr auf Nebenbahnen damals beispielsweise, die sehr gut damit vergleichbare
D VI (BR9875) von Krauss. Davon ist nur noch die „Berg“ als einzige im DGEG-Eisenbahnmuseum Neustadt/Wstr. vorhanden.

Zur Geschichte der Lok

   und des Herstellers HANOMAG:

1831 Georg Egestorff (*1802) gründet bei Hannover eine Saline

1835 Genehmigung zur Metallwaren und Gussfabrikation: Eisen-Giesserey und Maschinenfabrik Georg Egestorff

          baut zunächst Ersatzteile für die vorhandenen englischen Lokomotiven.

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Georg Egestorff

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Maschinenfabrik um 1850

1839 Ultramarin- und Zündholzfabrik Egestorff

 

1846 Bau der ersten Lokomotive bei Egestorff

„Ernst-August“

1868 Georg Egestorff +

ErnstAugust

1871 Umbenennung der von den Erben verkauften Fabik in HAnNOversche Maschinenbau Actien Gesellschaft (HANOMAG).

         Diese ist Europas zweitgrößter Lokomotivenhersteller

 

1899 Bau des nun in Oberviechtach am alten Bahnhof stehenden Technik-Denkmals als 3427. Lok von Hanomag vorm. Egestorff

         und Auslieferung an die Saline Egestorffhall, der aus dem Egestorff-Erbe entstandenen Kali-Chemie in Badenstedt.

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1931 Verkauf von Hanomag an Henschel nach der Produktion von insgesamt 10.672 Lokomotiven.

         Hiervon sind weltweit nur noch 145 Stück erhalten. Die Lok Fabrik-Nr. 3427 ist hiervon die Sechst-Älteste Normalspur-Lok.

 

1965 Außerdienststellung von 3427 nach 66 Betriebsjahren, der zuletzt auf einer

         Nebenstrecke für den Güter- und Zubringerverkehr eingesetzten Lok.

         (Foto: Peter Pekny / Sammlung Dr. Matthias Lentz)

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1965 Aufstellen auf einem Kinderspielplatz  in Empelde (Hannover)

 

1970 Aufstellen auf dem Spielplatz einer Sozial-Hochhaussiedlung in Wunstorf (Hannover).

 

         Verfall der Lok ohne Pflege und Wetterschutz und Diebstahl etlicher Teile.

1983 Ein Sammler, einer der letzten gelernten Dampflok-Schlosser, nimmt die heruntergekommene Lok zu sich. Beginn der äußeren, leider in vielen Punkten mangelhaften Renovierung.

          Die für ein Schaustück unnötige Renovierung des Innenlebens (Feuerbüchse, Langkessel, Rauchkammer, etc.),

          die einen sechsstelligen Eurobetrag gekostet hätte, unterbleibt.

1995 Abschluss der äußeren Renovierung. Erhebliche Renovierungsfehler und das Aufstellen der Lok

im Freien führen aber zu großen neuerlichen Schäden.

 

2010 Kauf der Lokomotive durch die Aloys Rossmann KG und Transport nach OVI.

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Lokomotive Verladung 027

2011 Gründliche Restauration und Ergänzen fehlender Teile wie Füllrohre und Latowski-Dampfläutewerk.

         Bau des „gläsernen Lokschuppens“ um die Lok.

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Technische Daten der Hanomag 3427:

 

HerstellerHannoversche Maschinenbau-Actien-Gesellschaft
vormals G. Egestorff Linden (Hanomag)
Baujahr1899
Fabrik-Nummer3427
BauartBn2t (B=2Achsen, n=Nassdampf, 2=2 Zylinder, t=Tender)
TypPleinoir
MaßeSpurweite: Normalspur (1435 mm)
Höhe: 3550 mm
Achsstand: 2000 mm
Laufradd.: 880 mm
Triebwerk: 282/440/880 mm
Länge ü.P.: 7385 mm
GewichteLeergewicht: 14 t
Dienstgewicht: 19,4 t
Dampf-Maschine:Kesseldruck: 12 atü
Rostfläche: 0,75 qm
Heizfläche Kessel: 36,85 qm
Leistung: 180 PS
SteuerungStephenson Kulissensteuerung

Zeittafel

Nebenbahnstrecke Nabburg – Oberviechtach – Schönsee
und Bahnhof Oberviechtach

1902 im Herbst Baubeginn Bahnstrecke Nabburg – Oberviechtach

1904 am 18. August feierliche Einweihung der Strecke und des Bahnhofs durch die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen

1911 Beginn des Weiterbaus nach Schönsee

 

1913 am 1. August Fertigstellung der Strecke nach Schönsee über Lind, Schneeberg, Gaisthal

Die Bahnlinie entwickelt sich schnell als Wirtschaftsachse und sorgt mit regelmäßigem Personen- und Güterverkehr für den Anschluss der ärmlichen Region an die Welt. Für die eingesetzten Dampflokomotiven wurde der liebevolle Name „Bockl“ prägend.

1960 Seit Beginn der 60-er Jahre wurde für den, nun in starkem Wettbewerb mit dem Auto stehenden Personenverkehr ein dieselgetriebener Triebwagen mit Beiwagen eingesetzt. Dieser wurde dann ersetzt durch den „Bahnbus“ der entlang der Bahnstrecke die Bahnhöfe abfährt.
Unattraktive Frachtraten und der unflexible Beamtenapparat der deutschen Bundesbahn, sowie die Verlagerung von Teilen des Gütertransports durch die Bahn selbst auf die Straße, führten zu einem starken Rückgang des Frachtaufkommens. Lediglich die Bundeswehr mit gelegentlichen Übungsplatzverlegungen ihrer Panzer und die Westholz in Lind hielten den Gütertransport, mit am Schluss zwei wöchentlichen Zügen und 1-2 Wagons an der Diesellok, noch am Leben.

 

1976 am 30.Juni Einstellung des Personenzugverkehrs zwischen Nabburg und Schönsee

1984 Abbau der Schienen zwischen Schönsee und Lind

1991 Eröffnung des Radwanderwegs Lind – Schönsee auf der alten Bahntrasse

1994 am 15.10. Einstellung des Bahnverkehrs auf der Reststrecke Lind – Oberviechtach – Nabburg

1998 Kauf des gesamten Oberviechtacher Bahnhofsgeländes durch die Stadt

2002 Verkauf des Bahnhofgebäudes an die Aloys Rossmann KG

2004 im August Einweihung des Verlängerung des Radwanderwegs bis Pertolzhofen auf der alten Bahnstrecke

2005 Gesamtfertigstellung des Radwanderwegs bis Wölsendorf und Eröffnung unter dem holprigen Namen „Bayerisch Böhmischer Freundschaftsweg“.

2008 im Juni Abriss der ortsprägenden 5-Bogenbrücke in Schneeberg als eine beispiellose Aktion ohne jeglichen Respekt vor Architektur- und Bahngeschichte, wie es sich nur öffentliche Auftraggeber erlauben können.

 

2009 Außensanierung des Bahnhofsgebäudes durch die Aloys Rossmann KG.

 

2009 Überlegungen in Schneeberg eine neue Brücke über die Straße und die Ascha zu bauen.

 

2010 Pläne des Straßenbauamts die schönsten Teile der alten Bahnstrecke vor Schönsee statt als Radweg, wegen einer Minute Zeitvorteil, als Straße zu nutzen. Vermutlich dann auch Abriss der verbliebenen 3-Bogenbrücke im Rosenthal.

 

2011 Neubau des gläsernen Lokschuppens und Wiederaufbau des Nebengebäudes mit Abort und Lagerraum in detailgetreuer historischer Form durch die Aloys Rossmann KG.

2020 radikale Abholzung entlang der Staatsstraße und der Bahnstrecke im Rosenthal zwischen Schönsee und Gaisthal. Beginn der Zerstörung des herrlichen Radwegs wegen des Neubaus der Staatsstraße, den nur wenige „Betondeppen“ (Ausdruck:  Sigi Zimmerschied) zu Lasten eines schönen Tals und der sehr beliebten Radstrecke durchsetzten.

kgl. bay. Staatsbahn